Meistertitel, Überraschungen in den Ergebnislisten und eine zermürbende Etappe beim vierten DEM & DEC-Lauf in Tucheim

Der austragende MC Fiener Tucheim e.V. hat in den vergangenen Jahren viel erlebt – Frühjahrsrennen, Sommerhitze, Herbstschlamm. Diesmal nutzte man den Feiertag am 3. Oktober, um den Lauf auf den Folgetag zu legen – eine willkommene Lösung, die den Teilnehmern ein langes Wochenende und dem Orga-Team etwas mehr Luft verschaffte. Vereinschef Gerald Müller und seine beiden Söhne steckten erneut unzählige Stunden in die Vorbereitung. Drei Sonderprüfungen und eine 59 Kilometer lange Etappe galt es für die knapp 200 Starter zu meistern. In Zeiten, in denen Strecken- und Genehmigungssorgen vielen Veranstaltern das Leben schwer machen, ist das Engagement der Tucheimer ein echtes Vorbild.

„Wir hatten uns ein bisschen Regen gewünscht“, hieß es noch im Vorfeld – um den staubigen Boden zu binden. Der Wunsch ging in Erfüllung, wenn auch etwas großzügiger als erhofft. Am Renntag begrüßte Tucheim seine Gäste mit klassischem Oktoberwetter: dunkle Wolken, kühler Wind und stetiger Nieselregen. Das große Unwetter zog glücklicherweise vorbei, doch der Tag blieb nass, kalt – und anspruchsvoll.

Vertrautes Gelände, vertraute Gesichter

Das Jugendheim Tucheim war wie gewohnt Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung. Hier fanden die Abnahmen statt, hier starteten die Fahrer, hier herrschte das vertraute Gewusel aus Motorengeräuschen, hektischen letzten Vorbereitungen und dem Duft von Kaffee und Zweitaktgemisch. Nur wenige Schritte entfernt lag das Parc Fermé auf der angrenzenden Wiese – eine kompakte, funktionale Lösung, die Tucheim seinen besonderen familiären Charakter verleiht. Pünktlich um 9 Uhr schickte Nico, wie so oft mit einem Lächeln und klarer Stimme, die ersten Fahrer auf die Strecke. Drei große Runden standen für das A-Championat an – rund sechs Stunden reine Fahrzeit, dazu eine zusätzliche Sonderprüfung am Ende. Zehn Tests insgesamt – ein langer, fordernder Endurotag. Das B-Championat absolvierte die gleiche Distanz ohne den Zusatztest, während Senioren, Super-Senioren und Damen (Gruppe C) zwei Runden bewältigten.

Der Test am Jugendheim – Tucheims Weckruf

Wer in Tucheim an den Start geht, hat kaum Zeit, sich einzufahren. Schon nach wenigen Hundertmetern steht der erste Cross-Test auf dem Programm, direkt hinter dem Jugendheim. Eine traditionsreiche Prüfung, die alles bietet, was Enduro ausmacht: sandigen Boden, schnelle Richtungswechsel, flüssige Passagen, knackige Auf- und Abfahrten und dazu den berühmten Ackerabschnitt, der fahrerisch viel Feingefühl erfordert. Der morgendliche Nieselregen hatte den Boden leicht angefeuchtet – griffig, aber stellenweise tückisch. Wer hier zu aggressiv ans Gas ging, riskierte früh Fehler. Es war ein Test, der den Unterschied zwischen Konzentration und Euphorie aufzeigte.

Sydow und Fischeder liefern den ersehnten Schlagabtausch

Als Erster auf die Strecke: Jeremy Sydow, der aktuelle Dominator der DEM. Nach seinem starken Auftritt bei der Enduro-WM war der Chemnitzer mit breiter Brust angereist – und wurde prompt auf den Boden der Tatsachen geholt. Ein seltener, unspektakulärer Sturz im ersten Test warf ihn kurz zurück und sorgte dafür, dass Luca Fischeder zunächst die Führung übernahm.

Was dann folgte, war das Duell, auf das viele Fans seit Monaten gewartet hatten: Sydow gegen Fischeder – zwei Ausnahmekönner, die sich nichts schenkten. Mal lag der eine knapp vorn, mal der andere. Sekunden entschieden, teils sogar Zehntel. Besonders auf den schnellen Passagen lieferten sich beide ein atemberaubendes Fernduell, das die Zuschauer förmlich mitriss.

Doch Sydow zeigte, warum er die Saison dominiert. Ab der zweiten Runde fand er seinen Rhythmus, fuhr aggressiv, präzise und scheinbar mühelos. Sieben von zehn Bestzeiten gingen auf sein Konto – genug, um am Ende nicht nur den Championatsieg von Tucheim, sondern auch vorzeitig den Deutschen Meistertitel in der E1-Klasse einzufahren. Im Ziel empfing ihn sein Sherco-Team mit breiten Grinsen, Jubel und einer wohlverdienten Sektdusche. Ein würdiger Moment für einen Fahrer, der in dieser Saison einfach das Maß aller Dinge ist.

Fischeder bleibt dran – Zitzewitz mit Glanzleistung

Auch Luca Fischeder konnte Tucheim mit erhobenem Kopf verlassen. Drei Bestzeiten, sieben zweite Plätze – eine Bilanz, die für sich spricht. Nur ein kleiner Ausrutscher, ausgerechnet an derselben Kurve, in der zuvor Sydow gestürzt war, verhinderte den möglichen Tagessieg. Doch der Zschopauer kämpfte sich eindrucksvoll zurück und hielt den Druck hoch bis zum Schluss.

In der E3-Klasse zeigte Davide von Zitzewitz eine starke Leistung. Der Norddeutsche, der an diesem Tag auf seiner 500er KTM unterwegs war, überraschte mit schnellen Zeiten und bewies eindrucksvoll, dass er auch mit dem größeren Gerät bestens zurechtkommt. Zusammen mit dem Tschechen Matyas Chlum, der nach zähem Start am Ende nochmals zulegen konnte, sorgte er für reichlich Bewegung in der Meisterschaft. Die Entscheidung fällt nun beim Finale in Burg – Spannung garantiert.

Sand-Show mit nordischem Flair

Kaum ein Rennen steht so sehr für Sand wie Tucheim – und kaum jemand fährt ihn so gut wie die Brüder Franz und Emil Löfquist aus Schweden. Das sympathische Duo, bekannt für seinen kraftvollen, fließenden Stil, fühlte sich auf dem tiefen Untergrund sichtlich wohl. Besonders im dritten Test, der in einer weitläufigen Sandgrube ausgesteckt war, zeigten beide eine beeindruckende Show. Mit viel Schwung, Mut und technischem Feingefühl zogen sie durch die Kurven, ließen die Motoren ihrer Yamaha und Kawasaki lautstark aufheulen und sorgten für begeisterte Zuschauerreaktionen.

Franz krönte seine Leistung mit dem Sieg in der E2-Klasse, während Emil als Dritter ebenfalls aufs Podium kletterte. Dazwischen landete Edward Hübner, der trotz technischer Probleme nicht aufgab und mit seiner Routine und Kampfgeist einen starken zweiten Rang einfuhr. Ein echtes Beispiel für Durchhaltevermögen – typisch Eddy. 

Etappe mit Biss

Wer die Tucheimer Etappe kennt, weiß: Sie hat es in sich. In diesem Jahr war sie besonders zäh. Tiefes, nasses Gras, glatte Äste und kaum sichtbare Steine machten das Vorankommen gerade in der ersten Runde zur Geduldsprobe. Viele Fahrer sprachen später von einer „zermürbenden Runde“ – ganz besonders, weil das Wetter keine Verschnaufpause zuließ.

Doch mit jeder weiteren Runde besserte sich die Spur, der Rhythmus kehrte zurück, und das Rennen bekam wieder seinen Flow. Klassisches Enduro eben: erst quälen, dann genießen.

Im B-Championat setzte Luca Reinhold nach seiner Verletzungspause ein deutliches Ausrufezeichen und fuhr sich wieder an die Spitze, gefolgt von Willi Damerau. Kenny Riedel verteidigte unterdessen knapp die Meisterschaftsführung, profitierte dabei vom Ausfall seines KTM-Sturm-Teamkollegen Lukas Riedißer, der in Tucheim nicht am Start war.

Routine trifft Leidenschaft

In der Senioren-Klasse kam Sirko Bühnemann endlich auf seinen geliebten Untergrund. Der Fantic-Pilot, ohnehin bekannt als Sand-Spezialist, nutzte seine Chance und dominierte das Rennen nach Belieben. Souverän, kontrolliert und mit sichtbarer Freude am Fahren sicherte er sich den Tagessieg – sein dritter in dieser Saison.

Bei den Super-Senioren feierte Jonas Blom aus Schweden den nächsten Triumph. Der Mann mit der weitesten Anreise ließ auch in Tucheim nichts anbrennen und setzte seine Siegesserie fort. Seine Lockerheit und Routine beeindruckten viele jüngere Fahrer – und zeigten einmal mehr, dass Erfahrung im Enduro-Sport Gold wert ist.

In der Damen-Klasse war der Tag eine echte Prüfung. Nur drei Fahrerinnen gingen an den Start, und die widrigen Bedingungen machten das Rennen zu einer mentalen Herausforderung. Lucy Glöckner musste nach der ersten Runde aufgeben, womit der Weg frei war für Lisa Richter. Die junge KTM-Sturm-Pilotin bewies Nervenstärke und Durchhaltevermögen, fuhr konstant schnelle Zeiten und gewann am Ende mit über 13 Minuten Vorsprung vor Desirée Schmink – ein eindrucksvoller Sieg unter harten Bedingungen.

Blick nach vorn – Spannung bis zum Schluss garantiert!

Kaum ist der Schlamm von Tucheim abgewaschen, richtet sich der Blick schon nach vorn: Bereits Mitte Oktober wartet der nächste Lauf in Kempenich, ehe am 1. November in Burg das große Finale steigt. Dort werden die letzten Titel entschieden – und wer in Tucheim gesehen hat, mit welchem Einsatz, Kampfgeist und Teamspirit die Fahrer unterwegs waren, weiß: Diese Saison ist noch längst nicht zu Ende geschrieben.

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